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Samstag, 28. September 2013

Mittel(kaliber) der Wahl - Rheinmetall Medium Calibre Day 2013


Zürich/Studen (ww) Zum zweiten Mal präsentierte Rheinmetall einem internationalen Fachpublikum seine umfassende Mittelkaliberkompetenz.

Boxer mit Lance-Turm. Foto: JPW
Diese reicht gemäß der „One-Stop-Shop“-Philosophie von der Munition über verschieden Waffen, Waffenstationen und Türme bis hin zur Integration von Mittelkalibereffektoren, Sensoren und Plattformen zu ganzen Waffensystemen.
100 Fachbesucher aus 18 Nationen kamen zum Medium Calibre Day 2013 am Firmensitz der Rheinmetall Waffe und Munition Schweiz AG in Zürich sowie im Erprobungszentrum Ochsenboden bei Studen. Ihnen bot sich ein vielseitiges Programm aus Vorträgen und Schießvorführungen – einschließlich einiger Premieren.

Oerlikon Revolver Gun Mk2
Premiere auf dem Medium Calibre Day 2013 feierte das Oerlikon Revolver Gun Mk2.

Oerlikon Revolver Gun Mk2. Foto: Rheinmetall
Die voll ferngesteuerte und netzwerkfähige 35-mm-Flugabwehrkanone verfügt über eine gurtgliedlose Munitionszuführung. Zwei Personen brauchen etwa acht Minuten, um den Schussvorrat von 252 Patronen über Ladestreifen aufzumunitionieren. Das reicht für 18 Feuerstöße zu je 14 Schuss. Die Kadenz liegt bei 1100 Schuss/Minute. Die Mk2 kann Munition mit der AHEAD-Technologie, also programmierbarem Luftsprengpunkt, verschießen. Diese Technologie ist auch bei dem kanonenbasierten Flugabwehrsystem MANTIS der Bundeswehr im Einsatz.

Wirkung im Ziel
Munition mit programmierbarem Sprengpunkt (Airburst-Munition/ABM) gewinnt nicht nur bei der Flugabwehr, sondern auch auf dem konventionellen Gefechtsfeld, erst recht aber bei urbanen Einsätzen und auf See respektive bei der Küstenverteidigung zunehmend an Bedeutung. Die Funktionsweise von Airbust-Munition gab es in zwei Versuchsaufbauten zu begutachten. So schoss eine Granatmaschinenwaffe mehrere 40 mm x 53 High Explosive Dual Purpose-Air-Burst-Granaten, die punktgenau über auf dem Boden liegende Nachweisplatten detonierten.

Bushmaster 3 im scharfen Schuss. Foto: JPW
Eine Bushmaster 3-Maschinenkanone feuerte mit 35 mm x 228 Kinetic Energy Time Fuze (KETF) aus 1000 Meter Entfernung auf Ersatzziele in Gestalt von Luftballons im Zielgebiet.

Einsatzerfahrungen bei Luftoperationen zeigten, dass Piloten oft nach dem Abfeuern ihrer Bordkanonen die Trefferlage ihrer Feuerstöße schlecht erkennen können.

Feuerstoß aus F16-Gatlingkanone mit 20 mm x 102 FAP...
Abhilfe verschaffen Geschosse mit integrierter Pyrotechnik. Aus einer Gatlingkanone einer F16 verschoss Rheinmetall zunächst einen 24-Schuss Feuerstoß mit konventioneller 20 mm x 102 FAP (Frangible Armour Piercing)-Munition und dann zum Vergleich einen ebenso langen mit der neuen Sorte 20 mm x 102 FAP-M (Frangible Armour Piercing with Marker).

...und mit 20 mm x 102 FAP-M (Frangible Armour Piercing with Marker). Fotos: JPW
Selbst bei strahlendem Sonnenschein ließen sich die Einschläge in einem Kilometer Entfernung mit bloßem Auge klar aufklären. Die Technologie gibt es auch für weitere Mittelkalibermunitionssorten.

Der Joint Strike Fighter wird Mittelkalibermunition im Kaliber 25 mm x 137 verschießen. Rheinmetall bietet hierfür eine FAP-Munition an. Sie wurde bei einer Vorführung auf ein simuliertes Kampfhubschrauberziel geschossen.

Wirkung der 25 mm x 137 FAP-Munition (vorne). Foto: JPW
Dabei durchschlugen die Projektile eine erste schräg stehende Panzerplatte zuverlässig und wirkten anschließend durch fragmentierte Geschossteile und Splitter auf die dahinter aufgebauten Nachweisplatten.

Kampf in bebautem Gelände
Der Fähigkeit zum Kampf im bebauten Gelände gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Die im scharfen Schuss vorgeführte 35 mm x 228 FAPPIE (Frangible Armour Piercing with Pyrotechnical Induced Effect) eignet sich für „Military Operations in Urbain Terrain (MOUT)“. Aus 100 Meter Distanz abgefeuert, durchschlug sie eine 20 Zentimeter dicke Betonwand und warf eine in zwei Meter Entfernung dahinter aufgestellte Metall-Nachweisplatte durch ihre Splitterwirkung um.

Wirkung der 35mm x 228 FAPPIE auf ein urbanes Ziel. Foto: JPW

Nicht nur für den Kampf im bebauten Gelände erweist sich Absitzstärke als veritabler Kampfkraftmultiplikator. Wie sich diese mit hohem Schutz, Beweglichkeit und Feuerkraft verbinden lässt, zeigte Rheinmetall erstmals mit dem Boxer in der Radschützenpanzerausführung (Infantry Fighting Vehicle, IFV) der Öffentlichkeit. In den IFV Boxer hatte Rheinmetall einen Prototypen seines bemannten LANCE-Turms integriert. Als Hauptwaffe diente hier eine MK30-2/ABM im Kaliber 30 mm x 173. Diese Waffe kommt auch im Schützenpanzer Puma zum Einsatz. Der Radschützenpanzer beschoss in einer kurzen Vorführung aus der Bewegung und aus dem Stand Ziele auf unterschiedliche Entfernungen mit Übungsmunition (Target Practice-Tracer Munition).

Neue Maschinengewehre für Waffenstationen
Zwei auf dem Symposium vorgestellte Waffen, das RMG 7.62 und das RMG 50, verschießen streng genommen Kleinkalibermunition, dienen aber beispielsweise auf Waffenstationen integriert ähnlichen Einsatzzwecken wie Mittelkaliberwaffen. Zudem sind sie sehr häufig koaxial in Mittelkalibertürmen integriert.
Das RMG 7.62 gehörte zu den völligen Neuheiten des Symposiums, wenn es auch nicht als „Hardware“ zu sehen war.

Prinzipskizze RMG7.62
Dabei handelt es sich um ein fremdangetriebenes Maschinengewehr im Kaliber 7,62 x 51 mm. Neu ist die fernbedienbare Rohrwechseleinrichtung mit drei Rohren in einem Bündel: Ist ein Rohr heißgeschossen, wird elektrisch das Rohrbündel gedreht und so der bislang manuelle Rohrwechsel elektrisch, unter Schutz realisiert und ein kühles Rohr in weniger als fünf Sekunden in Feuerstellung gebracht. Alle zum fernbedienten Betrieb notwendigen Komponenten befinden sich in oder an der Waffe. Dies und die integrierte Waffenwiege sorgen dafür, dass sich das RMG 7.62 schnell in eine Vielzahl von Plattformen einrüsten lässt. Die Gurtzuführung basiert auf der des MG42/MG3. Mit dem RMG7.62 kann NATO-Standardmunition verschossen werden (z.B. Zerfallgurt M13/DM60. Nanobeschichtungen und Hochleistungsmaterialien sorgen für eine lange Lebensdauer. Die Kadenz der Waffe lässt sich auf bis zu 800 Schuss pro Minute einstellen. Aufgrund des großen Munitionsvorrates an der Waffe, der hohen Kadenz und des automatischen Laufwechsels eignet sich das RMG7.62 als Effektor für Waffenstationen oder als Koaxial-MG für Kampf- und Schützenpanzer. Die Waffe entsteht in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Es soll nach derzeitiger Planung voraussichtlich 2016 verfügbar sein – auch auf dem internationalen Markt.
Für das ebenfalls fremdangetriebene RMG.50, aber auch andere Waffen im Kaliber .50BMG, entwickelt Rheinmetall derzeit seine leistungsgesteigerte 12,7 mm x 99 Munition. Auf dem Ochsenboden demonstrierte man die Wirkung zweier dieser neuen Patronen. Die 12,7 mm x 99 PELE (Penetrator mit erhöhtem Lateralen Effekt) wirkte dabei gegen ein simuliertes Flugzeugziel und durchschlug sämtliche neun Nachweisbleche zuverlässig, wobei sich teilweise Sekundärsplitter bildeten. Nach Rheinmetall-Angaben verfügt diese Munition auch über eine sehr hohe Wirkung gegen gepanzerte Ziele, allerdings ließ das enge programm keine entsprechende Vorführung zu. Dafür wurde die 12,7 mm x 99 Armour Piercing Discarding Sabot (APDS) aus 100 Metern auf eine senkrecht stehende mehrere Zentimeter dicke Panzerstahlplatte (Rolled Homogenous Armour, RHA) abgefeuert.

Wirkung der 12,7 mm x 99 APDS auf Panzerstahl. Foto: JPW
Dabei zeigte sich, dass die Projektile diese Platte durchschlagen konnten.

Ausblick
Mittelkaliberwaffensysteme und die umfangreiche Mittelkalibermunitionspalette eignen sich für etliche Anwendungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die zu bekämpfenden Ziele und die einsatztaktischen Rahmenbedingungen bestimmen die zu verwendende Munition. Air-Burst-Fähigkeit, höhere Durchschlagskraft, Präzision zur Vermeidung von Kollateralschäden, MOUT-Anwendungen sowie Insensitive Munition (IM)-Eigenschaften sind einige Richtgrößen, die weitere Entwicklung der Mittelkalibermunition und -waffensysteme bestimmen werden.